Das Dilemma mit den Likes in den sozialen Medien und warum Du auf dem falschen Weg bist, wenn Du viele bekommst. Und ein Plädoyer für das gedruckte Bild.

Wir alle wollen gesehen werden. Wir wollen Aufmerksamkeit und Anerkennung. Und als Fotografen wollen wir, dass unsere Bilder gesehen werden.
Wo kann man seine Bilder einfacher, schneller und preiswerter zeigen als in den sozialen Medien? Wo kann man Bilder schneller und preiswerter sehen als in den sozialen Medien?
Und auch hier zeigt sich, was nichts kostet, das taugt auch nicht viel. Diesen alten Spruch darf man nicht ausschließlich monetär verstehen. Viel wichtiger als Geld ist Mühe.
Weder zeigen noch betrachten macht Mühe in den sozialen Medien. Und so werden Unmengen von Bildern in die Netze geblasen und die durchschnittliche Betrachtungsdauer liegt unter einer halben Sekunde. Likes und Herzchen sind schnell vergeben.
Sinn macht das Alles schon lange nicht mehr. Zu dem „von wem kommen die Likes und warum sie sogar schädlich sein können“ komme ich später.

Man stelle sich das mal übertragen auf die „echte“ Welt vor. Da geht man in ein Museum oder irgendeine andere Ausstellung und betrachtet jedes Bild 0,5 Sekunden. Dann wäre man nach einer Minute wieder draußen. Man hat zwar alles gesehen, aber nichts wahrgenommen.
Die wirkliche Anerkennung ist ja, dass sich jemand die kleine Mühe gemacht hat, in eine Ausstellung zu gehen, ggf. Eintritt zu zahlen, aber vor allem die Zeit, die er unseren Bildern widmet.
Ob sie am Ende als gut oder schlecht bewertet werden, ist erstmal nicht so wichtig. Denn sie waren auf jeden Fall interessant genug, um sie eine Zeit lang zu betrachten.
Dass „gut“ und „schlecht“ so gut wie immer ungeeignete Kategorien in diesem Kontext sind, möchte ich hier mal unbeachtet lassen. Nur so viel; „interessant“ ist das neue „gut“ 🙂

Unsere Bilder hängen aber nicht in einer Ausstellung oder liegen in Buchform vor. Warum eigentlich nicht? Weil es Mühe macht. Weil es teuer ist? Ich glaube gar nicht, dass das stimmt. Natürlich kostet es Geld Bildbände zu drucken. Keine Frage. Aber kleine Fotoheftchen? Die gibt es für den Preis einer halben Currywurst beim Discounter.
Wir geben hunderte oder eher tausende von Euros aus für das Fotogeraffel aber haben dann kein Geld die Bilder zu drucken?
Ein paar wenige Heftchen, die man Freunden, Bekannten, Kollegen zeigen kann. Und wo man, wenn wahrscheinlich auch wohlwollend, wertvolleres Feedback bekommt als ein Like.
Die Qualität dieser Prints ist so schlecht? Das soll ein Argument sein, wenn sonst die Bilder auf Handys in Hochgeschwindigkeit durchgescrollt werden?

Auch als kleines Danke für die Shootingpartnerin taugen die Heftchen. Wobei ich zurzeit preiswerte Prints von den Shootings machen lasse und diese in einer Fotobox verschenke.
Da ich langfristige Zusammenarbeiten bevorzuge, kommen dann die gesammelten Werke da hinein. Und ggf. gibt es irgendwann eine zweite Box. Oder Dritte.

Wir Fotografinnen müssen uns auch gelegentlich daran erinnern, dass unsere Welt nur selten die des Betrachters ist. Zwei Stunden Nachbearbeitung auf dem kalibrierten Markenmonitor mit 10 Bit, der den Farbraum zu 100% abdeckt. Und betrachtet wird das Bild auf einem Handy.
Natürlich sieht das Bild auf Papier XYZ von einer Edeldruckerei auf selbiges gebannt, besser aus, als vom Discounter gedruckt.
Aber nur weil wir das Beste nicht haben können, nehmen wir das Schlechteste?
Bisher hat sich Jede über eine solche kleine Fotobox gefreut. Teilweise werden sie unter Freunden und Verwandten, die nicht in der Fotobubble stecken, rumgezeigt. Und in meiner, vielleicht etwas romantischen, Vorstellung, werden sie irgendwann den Kindern gezeigt. Oder sie fallen bei einem Umzug in die Hände. Es wird reingeschaut. Erinnerungen kommen auf….

Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass, wer nur für Insta fotografiert, eigentlich gar keine Speicherkarte in der Kamera braucht 🙂 Ein wenig wie Joel Meyerowitz, der hunderte von Filmen nie entwickelt hat.
Ok, ist natürlich völlig übertrieben und zumindest mit einem weiteren Aspekt hardere ich auch noch. Was ist mit der Reichweite? Nicht für Likes. Die sind ziemlich wertlos. Für etwas viel Wichtigeres. Für Modelle, die meine Arbeiten interessant finden und sich eine Zusammenarbeit vorstellen können.
Mit meinem toll gestalteten Fotobuch kann ich nur sehr wenige Leute erreichen. Und mehr oder weniger immer dieselben. Irgendwann wissen Freunde, Verwandte und Kollegen Bescheid.
Dass mich ein Modell über die sozialen Medien anschreibt, ist sehr selten geworden. Ich denke, das liegt an vielen Dingen. Die Dinge, die ich dabei in der Hand habe, Präsenz und Art der Bilder zum Beispiel, möchte ich aber nicht ändern. Und so ist auch unter diesem Aspekt die Reichweite für mich nicht so wichtig.

Wenn mir jemand seine 300 Urlaubsbilder auf dem Handy, oder sonst wo, zeigen will, dann winke ich gerne ab. Das macht weder Spaß noch Sinn. Ganz anders bei einem kleinem Fotoheftchen. Sagte ich schon, dass es das beim Discounter mit 14 Seiten für 6€ gibt?
In so einem Heftchen blättere ich gerne. Vielleicht, weil ich auch direkt erkenne, dass es endlich ist 🙂 Aber auch weil ich sehe, dass sich jemand Mühe gegeben hat, vielleicht ein wenig stolz ist es zu zeigen und an meiner Reaktion interessiert ist.

Kann man sich also nicht ein wenig Mühe geben und ein „Best of“ zusammenstellen? Wer drucken lässt, der wird das automatisch tun, wobei auch hier meist zu viele Bilder gezeigt werden.
Arbeite ich auch noch bzw. immer wieder dran. Es ist schwer, sich gegen seine Bilder zu entscheiden. Wir schauen sie uns an und es kommen Erinnerungen und Emotionen auf. Aber eben nur bei uns. Beim Betrachter, wenn es gut läuft, auch Emotionen, aber wahrscheinlich andere. Und wenn wir das fünfte, fast identische Bild zeigen, dann wohl am ehesten Langeweile.
Sich intensiv mit seinen Bildern auseinanderzusetzen, auswählen, kuratieren ist eine lehrreiche und im besten Falle sehr erfüllende Aufgabe.

Zusammen mit anderen macht es besonders viel Spaß – und man lernt, dass es viele Sichtweisen auf ein Bild geben kann.
Die sind nicht besser oder schlechter, sie sind einfach nur anders.


Zu diesem Beitrag hat mich folgendes Video von Sean Tucker verleitet. Wobei das Thema im Grunde immer präsent ist. Jan Kocovski beschrieb auch schon vor langer Zeit, die möglichen negativen Folgen auf Deine Fotografie von Likes und fragte, ob man ein Likeopfer sein will.

Tucker spricht darüber, wie Bilder, die technisch einfach sind und Anfängern gefallen, online oft mehr Aufmerksamkeit erhalten als komplexere und nuanciertere Arbeiten. Er erklärt, dass dies daran liegt, dass die meisten Reaktionen im Internet von Anfängern kommen, die nach Tipps und Inspiration suchen. Er betont, wie wichtig es ist, diesen Kontext zu verstehen und sich nicht von der Online-Reaktion auf die eigene Arbeit beeinflussen zu lassen. Er vergleicht auch die Unterschiede zwischen „Charakter“ und „Persönlichkeit“ in der Kunstproduktion und schließt mit der Idee, dass weniger Aufmerksamkeit online möglicherweise ein Zeichen für Wachstum und Reife als Künstler ist.

Ich finde, es lohnt, über diese Gedanken nachzudenken. Nach meiner Beobachtung sieht es größtenteils so aus; als Anfänger sucht man sich eine Gruppe, in der man Hilfe bekommt und was lernen kann. Desto mehr man sich weiter entwickelt, desto weniger benötigt man Hilfe und gibt selber welche. Aber nach einer Zeit wiederholen sich die (Anfänger)Fragen und selbst findet man kaum noch Hilfe und Inspiration und verlässt die Gruppe.
Das ist in meinen Augen ebenso völlig ok, wie der natürliche Gang der Dinge. Ich glaube, es ist ein chinesisches Sprichwort „Wenn Du der Klügste im Raum bist, dann verlasse den Raum“.
Die Fortgeschrittenen gehen, die Anfänger kommen. So entwickeln sich zwar die Teilnehmer weiter, aber nicht der Durchschnitt der Gruppe.
Natürlich ist das kein Naturgesetz und es kann auch andere Gruppen geben. Es geht ja nur darum bei einem „Publikum“, welches man nicht kennt, sich nicht zu viel auf Likes einzubilden oder sich demotivieren zu lassen, wenn diese ausbleiben.
Am Ende muss man immer selber wissen, ob ein Bild gut ist oder nicht.

Noch mal kurz zu den „Heftchen“.
Diese kann man vielleicht in Art-Cafés, beim Zahnarzt oder Friseur des Vertrauens auslegen. Wie lustig muss es sein zu beobachten, wie jemand darin blättert und ggf. in Kontakt zu kommen 🙂
Kreativ sein. Sich was überlegen. Mühe machen. Ausprobieren.

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