Ich garantiere euch 100% Subjektivität!

Im folgenden möchte ich beschreiben welche Eindrücke mich beim ersten durchblättern überkamen.

Andreas Jorns * diversity

Eigentlich ist diversity nicht ein Buch, sondern mehrere Bücher zwischen zwei Deckeln. Der Titel ist Programm.
Die Klammer ist Andreas Jorns Art der Fotografie. Egal ob nackte Frauen, alte Menschen oder der Blick in die Küche. Man spürt den den Menschen zugewandten Blick, dass Interesse am Thema gepaart mit Zurückhaltung und Sensibilität. Die Bilder sind nie platt oder aufdringlich und vermitteln einen hohen Grad an Authentizität.
Kleines Bonmot; den Satz schrieb ich bevor ich bei Yase angekommen war 🙂

Ich mag die „Verschwendung“ von Seiten und Raum. Immer wieder gibt es leere Seiten. Seiten, die so wichtig sind um den anderen den Raum zu geben zu wirken. Hier hat Herr Zimmermann gute Arbeit geleistet.

Ich mag den Mut. Den Mut z.B. einen Kochtopf doppelseitig abzudrucken.

Wie oft sind Bücher überfrachtet mit Bildern? Wie oft denke ich mir, weniger wäre mehr gewesen?
Ein wenig tue ich dies hier aber auch bei der Serie „Three songs„. Die Serie beinhaltet unglaublich starke Bilder (gerade die unscharfen und doppelseitigen), aber auch einige, die das Niveau nicht halten können und für mich die Serie nicht bereichern.


The wonderful age
In dieser Strecke zeigt Jorns Bewohner einer Altersresidenz. Die Bilder sind quadratisch und relativ klein, lassen viel weißen Platz auf der Seite und einigen Raum zum deuten der Gesichter.

Ich frage mich, ob ich es ohne Altersangabe nicht stärker finden würde!?
Der leere Stuhl und die Worte dazu sind sehr berührend.


Plonsky
Hier hat Herr Jorns einem hochdekorierten Koch eines Hotels auf Usedom in die Küche und auf die Finger geschaut. Eine erstaunlich andere, eine erstaunlich gute Serie. Für mich bewegt sie sich zwischen Reportage und Portrait.
Den Kochtopf auf der Doppelseite, mit der die Strecke eingeleitet wird, hatte ich oben schon erwähnt. Einfach großartig.

Auf den weiteren Bildern kann man gut die Leidenschaft, die Energie und auch die Anspannung spüren. Ästhetisch umgesetzt und dennoch wirkt es sehr authentisch – oder andersherum 🙂


Mit „Off the beaten rock“ komme ich nicht klar. Zu lang, sagt mir nichts. Aber sehr starkes Abschlussbild (Pfütze auf Seite 111).
Hier finde ich die dauernd wechselnden Formate auch eher störend.


Curiosity
Hier spielt Rosalie mit Obst. Meist nackt. Sie und das Obst.
Die Grundidee ist nicht neu. Und auch die Umsetzung sprüht nicht gerade vor Originalität. Aber die Umsetzung ist solide. Ich mag das tiefe Schwarz.


Naked
Eine sehr persönliche Strecke in der Amy Lee, die in Wirklichkeit Sarah heißt, ihren krankheitsbedingten Haarausfall thematisiert.
Der Titel „Naked“ bezieht sich hier eher auf den Kopf und das Gefühl.
Anfänglich sieht man sie mit modernem Kurzhaarschnitt und durch eine leere Doppelseite getrennt mit „oben ohne“. Hier ist sie wieder, die „Verschwendung“ von Seiten, die ich so stark finde.
Dafür, dass die beiden schon so viel miteinander gemacht haben, finde ich die Bilder erstaunlich ausdrucksschwach. Sarah möchte anderen Mut machen. In den Bildern sehe ich das kaum.
Gelächelt wird meist mit Haaren und wie Lindbergh schon sagte „Lachen ist eindimensional“.


Rock my pussy
Als ich das Vorwort zu der Strecke „La petite mort“ lese erinnere mich an die Äußerungen von Freunden zu der Serie, die bei der Buchvorstellung waren. Sie sagten, dass sie nicht in das Buch passe. Da ich nicht da war und nicht wirklich wusste worüber sie sprachen, habe ich mich an der Diskussion nicht beteiligt.

Nun kann ich sie verstehen. Ein wenig verstört mich die Serie schon. Ich denke, einen solch intimen Moment sollte man nur dem schenken, mit dem man so intim ist. Bei der Serie habe ich das Gefühl, dass hier für mich eine Grenze überschritten wurde.
Ich frage mich, ob die Motivation für die Bilder einfach nur „echt“ sein kann?


Still crazy after all these years
Wie so oft kommt das Beste zum Schluss. Ob Jorns das auch so sieht und deshalb ein Bild von Michael Günther zum Titelbild gemacht hat?
Wir sehen einen alten Mann, das Gesicht geschminkt als Clown, der Bauch mit einer langen Narbe versehen.

Ich sehe Leere. Ich sehe tiefe Leere, Melancholie. Der Blick aus dem Fenster; grandios. Da ist auch ein Hauch von Zufriedenheit – oder zumindest ein „sich damit abgefunden haben“. Starke Bilder.

Conclusio: Gut ist nicht was gefällt, gut ist was inspiriert, zum nachdenken anregt, vielleicht auch ein Stück weit er- und verschreckt.

Diversity ist ein spannendes Buch, ein Buch an dem ich mich reiben kann. Ein Buch welches ich nun erst mal weglege damit die Gedanken kreisen können bevor ich es mir noch mal anschaue. Dann wahrscheinlich jede Strecke einzeln. Und ich bin gespannt zu welchen Gedanken ich dann komme.
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.