So langsam, ganz langsam verlässt die Bilder-KI ihre Spielecke

Mit der aktuellen Beta von Photoshop, Version 24.6, hat der in der Zwischenzeit Berümtheit erlangte Prompt Einzug gehalten. Der Prompt ist die Anweisung an die KI irgendwas zu tun. Also etwas wie „Schreibe ein Gedicht über depressive Opossums“ bei Chat-GPT oder „Zeichne zwei Opossum, die gelangweilt in einer Hängematte an einem Strand in der Karibik eine Zigarre rauchen.“

In Photoshop gibt es nun die kontextbezogene Taskleiste in der z.B. bei einer Auswahl „Generative Füllung“ erscheint. Hier dürfen wir nun auf englisch sagen was wir gerne hätten.

Um die Funktion zu testen wollte ich einen typischen Friseurstuhl hinter Fabienne haben. So ein Stuhl ist nicht nur teuer, sondern auch schwer. Also viel besser, wenn die KI ihn erstellt als wenn ich ihn kaufen und schleppen muss. Ist irgendwie auch nachhaltiger.
Ich ziehe also kurzerhand eine rechteckige Auswahl auf und tippe „barber chair“ ein. Dann kurz warten und erkennen; so einfach ist es natürlich nicht. Alle drei vorgeschlagenen Varianten sind mit Rückenlehne zum Betrachter. Will ich aber so nicht. Nun gut, woher soll PS das wissen?
Also muss man es ihm sagen. Der Prompt ruft. Nächster Versuch mit „barber chair, lateral“ (danke an Deepl). Sieht schon besser aus. Ist aber zu weit weg von Fabienne. Jetzt ist das genierte Objekt aber mit Licht und Schatten und allem anderen mit der Umgebung verwachsen. Es ist kein freigestellter Stuhl, den man einfach verschieben kann. Im Moment kann ich mir nur behelfen, in dem ich eine neue Auswahl erzeuge und den Vorgang wiederhole. Nun ist aber nicht mehr der Stuhl dabei, der mir eben noch so gut gefiel und der lediglich etwas zu weit weg war.
Also drücke ich noch ein paar Mal auf „genrieren“ und warte bis dann ein zufriedenstellendes Ergebnis dabei ist.
Da ich kein Photoshop-Künstler bin, ging es immer noch um Welten schneller, als wenn ich versucht hätte selbst einen Stuhl da reinzukopieren. Und ich denke, dass gerade in dieser Benutzerfreundlichkeit der Unterschied zwischen Spielerei und ernstzunehmendes Werkzeug liegen wird. Der Wert liegt nicht darin ein paar passende, effekthascherische Beispiele zu finden und damit einen auf dicke Hose zu machen, sondern darin, ein berechenbares und verlässliches Werkzeug zu sein mit dem man gezielt zu einem Ergebnis kommt. Wenn ich jedesmal verblüfft und überrascht davon bin was Photoshop zaubert, dann mag das für coole Headlines und Youtubes taugen, aber eben nicht für mehr.
Das man dafür selber ein wenig lernen muss, wie man das Vieh zu füttern hat, also wie das mit den Prompts funktioniert, ist ok. Den Umgang mit anderen Werkzeugen muss man auch lernen.

Es wird im Moment viel diskutiert, ob KI-Bilder markiert werden sollen. Sollte dieses Bild nun markiert werden, so dass erkennbar ist, dass es KI enthält?
Spielt das für den Betrachter wirklich eine Rolle? Müsste man dann auch sagen was hier die KI gemacht hat? Wenn der Stuhl im Orginal enthalten wäre und ich beim Entfernen KI angewendet hätte, dann auch?

Für unsere Wahrnehmung und unser Weltbild ist es doch nicht relevant, ob es ein „klassischer“ Algorithmus war oder KI. Ist nicht viel relevanter was und wie „manipuliert“ wird? All die hübschen, makellosen Menschen mit super Haut und toller Figur gibt es schon lange. Auch ohne KI. Wenn echte Menschen diesen Idealen nacheifern und daran zwangsweise scheitern, dann ist das das Übel.
Möglicherweise nimmt das durch die KI noch zu. Das ist dann eher quantitatives als qualitatives Problem.

Kommen wir noch zu einem anderen Beispiel. Manchmal hat man das Bild einfach etwas zu eng aufgenommen. Entweder im Eifer des Gefechts, oder weil man keine andere Brennweite zur Hand hatte oder warum auch immer.
Mir passiert es gelegentlich, dass, wenn ich das Bild gerade ausrichte, der Raum unter den Füßen oder über dem Kopf zu eng wird, diese gar angeschnitten wurden. Solche Bilder habe ich meist weggeworfen. In solchen Fällen kann man das Bild nun „einfach“ erweitern. Der markierte Bereich wird aufgefüllt. Wir geben einfach nichts in den Prompt ein und überlassen die Sache Photoshop.

Ich behaupte Mal, dass Niemand, der den Ort nicht sehr genau kennt, bemerkt, dass hier die Ränder erfunden wurden. Bei diesem Beispiel ist natürlich nur der rechte Rand von Interesse.

Ein weiteres Bild, welches innerhalb von wenigen Minuten „angepasst“ wurde.

Die Bilder sind in Zusammenarbeit mit Fabienne entstanden. Vielen Dank dafür.

P.S.: Die beiden Opossums möchte ich natürlich nicht schuldig bleiben 🙂
Das hat Adobe Firefly daraus gemacht