Auch die Kunst – oder die Fähigkeit und Bereitschaft diese aufzunehmen.

Das war eine der elementaren Grundsätze von Christo und Jeanne Claude. Kunst hat einen direkten Bezug zur Zeit. Aus dem Grund sollten die Kunstwerke auch immer nur für eine kurze Dauer existieren.

Oft haben die Beiden Jahrzehnte die Projekte vorbereitet und für die Genehmigungen gekämpft, teilweise auch vergebens, um dann im Erfolgsfall nach ca. zwei Wochen die Projekte wieder abzubauen und zu recyclen.
Dadurch, dass die Kunst so vergänglich ist, bekommt sie einen besonderen Wert. Und ihre Kunst ermöglicht quasi eine Kunst der 2.ten Reihe, die dauerhaft ist. Wie z.B. Fotos der Projekte.
Es gibt auch eine 0.te Reihe. Das sind die Skizzen, Collagen usw. die Christo in der Vorbereitung der Projekte erstellt und verkauft hat. Damit wurden die Projekte dann finanziert. Denn sie sind nie gesponsert gewesen. Christo und Jeanne Claude wollten frei sein in ihrer Kunst und nicht abhängig von Geldgebern. Und wir reden hier von Millionen.
Natürlich haben die Projekte zur Bekanntheit der Künstler und somit widerum zum Preis der „Vorarbeiten“ beigetragen.

Das Projekt „over the river“ ist an der notwendigen Einwilligung der lokalen Bevölkerung gescheitert. Bemerkenswert fand ich die Worte von Jeanne Claude, mit der sie die Menschen für das Projekt überzeugen wollte.

„Wir glauben, dass die meisten Amerikaner, die hier leben, im Geiste und im Herzen so jung, waghalsig und neugierig sind, dass sie ein Kunstwerk sehen und erleben wollen, dass für Freude und Schönheit sorgt – einmal im Leben.
Nach 14 Tagen ist alles vorbei und recycelt, aber diese herrliche Erinnerung wird im Kopf und in den Herzen bleiben. Sie werden ihren Enkeln davon erzählen: Ich habe es gesehen. Ich war dabei. Die meisten wollen diese wundervolle Erfahrung teilen. Deshalb sind wir hier. Wir sind nicht zwei New Yorker Idioten, die ihre Köpfe gegen die Wand schlagen, ohne jede Hoffnung. Nein, wir glauben an das amerikanische Volk. Wer auf dem Mond spazieren kann, kann auch „Over the river“.

Als damals der Reichstag, im Jahre 1995, verhüllt wurde, hatte ich es auch nicht verstanden und es für eine alberne Geldverschwendung gehalten. Nun, 26 Jahre später, wollte ich den verhüllten Arc de Triumph unbedingt sehen, ein Teil dieses kollektiven Erlebens sein.

Der Triumphbogen ist auch ohne die Verhüllung etwas besonderes für mich.
Wie der Name schon sagt ist es ein Zeichen des Triumphes und wie leider so oft, eines militärischens. Zumindest ist er aus diesem Grunde gebaut worden. Seit Ende 1920 jedoch könnte man es auch als Mahnmal gegen den Krieg verstehen. Seit dem ist unter dem Bogen das Grabmal des unbekannten Soldaten.

Der Tod ist kein Triumph.
Man hätte das Grab auch in eine der Säulen bauen können. Aber so ist der Triumphbogen bis in alle Ewigkeit seiner ursprünglichen Aufgabe, dem triumphalen Durchschreiten, beraubt. Niemand läuft über ein Grab.

Auf dem Rückweg aus Spanien machten wir nicht nur deswegen Halt in Paris, aber eben auch. Es ist nicht nur das Kunstwerk was begeistert, sondern mindestens so sehr die Stimmung, die unter vermeintlich gleichgesinnten rund um das Werk herrscht.
Es ist ähnlich wie bei einem Konzert. Man weiß, dass man einen Moment teilt, der nie wieder kommen wird. Und das verbindet die daran interessierten Menschen.

In Paris angekommen waren es 15 Grad und es regnete. Nichts was nach einer langen Fahrt zu einem ausgiebigen Spaziergang einlädt. Aber ich bin sehr froh ein paar Stunden später, als der Regen nachgelassen hatte, mich auf den Weg gemacht zu haben.

In der Dunkelheit, soweit man davon sprechen kann, wirkt die gesamte Szenerie natürlich ganz anders als am hellichten Tag. Und was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste (aber hätte wissen können) wurde am nächsten Tag der Verkehr rund um den Triumpbogen stillgelegt.

Ich weiß nicht, ob die Menschen, die den Triumphbogen durch überqueren der Straße erreichen wollen, als mutig oder dumm zu bezeichnen sind. Aber bei der Fahrweise vieler Franzosen, die ich dort beobachten konnte, habe ich eine deutliche Tendenz.
Ich für meinen Teil entschied mich für den unterirdischen Weg.


Am nächsten Tag, einem Samstag, war alles um den Bogen weiträumig abgesperrt für den Autoverkehr. Ein völlig anderes erleben.

Ich bin sehr froh den Triumphbogen in beiden „Zuständen“ erlebt zu haben – ganz im Sinne von Jeanne Claude. Ein Kunstwerk, dass für Freude und Schönheit sorgt und für ein Erlebniss, welches in Erinnerung bleibt.

Desto mehr ich über Christo und Jeanne Claude weiß, desto mehr bewundere ich sie. Think big war wohl ihr Motto. Diese Künheit ihrer Ideen. Die meisten Menschen, und ich natürlich auch, trauen sich überhaupt nicht so groß zu denken.
Alle denken, dass es unmöglich ist. Bis einer kommt und es eben macht.

Hier noch zwei Links zu interessanten Videos:

https://www.youtube.com/watch?v=nUxqWesMofQ

https://www.arte.tv/de/videos/090151-000-A/christo-walking-on-water

Sehr interessant wie persönlich der Film ist – und wie cholerisch Christo oft ist. Er wirkt auf mich manchmal sehr einsam in seiner Welt. „Sie erinnern sich an mich?“, „Nein“, „Ich bin/habe/war…“ und Christo dann wenig überzeugend oder interessiert „Ja, jetzt erinnere ich mich“.

Auch spannend wenn es ums Geld geht und wie hemdsärmelig vieles erscheint und am Ende doch klappt.
Der Ton, der da herrscht ist schon heftig. Eine Menge Stress. Aber eben auch eine Menge Verantwortung.
Ich muss mir immer wieder vor Augen halten, dass es ein Kunstprojekt ist. Das es 20 Mio. gekostet hat. Und natürlich kommt die Frage auf, ob man für das Geld nicht etwas nachhaltiges hätte schaffen können, dass der Bevölkerung mehr als ein paar Tage was bringt?

Andererseits mag ich diese Freiheit der Kunst sich über diese Fragen hinwegzusetzen. Und die Menschen, die da waren, werden es bestimmt ihr Leben lang nicht mehr vergessen.