Ein persönlicher Bericht über künstlerisches Lernen, demokratische Auseinandersetzung mit der Demokratie und den Versuch, Freiheit und Grundrechte in Fotos greifbar zu machen.
Mal was ganz anderes. Wobei anders ja Gewohnheit ist. Es ist immer anders. Irgendwie. Alle reden von Veränderung. Es gibt sogar so etwas wie „Change Management“. Nun gut, Management klingt immer gut. Gibt einem das Gefühl von Kontrolle und mit irgendwas muss man halt sein Geld verdienen.
Mein „anders“ sah und sieht so aus, dass ich das erste Mal in meinem Leben einen Fotokurs besucht habe. Warum ich das vorher nicht gemacht habe und warum ich von den allermeisten nichts halte, soll hier nicht das Thema sein. Nur so viel; ich bin Autodidakt. Ich möchte in meiner eigenen Geschwindigkeit lernen, mit meiner eigenen Intensität. Ich möchte ausprobieren, mich austauschen und diskutieren. Mich interessieren Gestaltung, Bildwirkung, Ausdruck usw. Technik interessiert mich nur so weit, wie es notwendig ist.
Also warum diesmal? Er war kostenlos. Ok, das war nicht der einzige und auch nicht der entscheidende Grund. Spielt aber mit rein. Denn meine Skepsis solchen Kursen gegenüber ist nicht gerade gering, und so dachte ich mir, wenn es nichts taugt, dann gehst du halt einfach nicht mehr hin.
Der erste Kurstag ist nun über ein Jahr her. Es gab eine kleine Ausstellung (VHS Neumarkt), eine große (VHS Lindenthal) und im Moment arbeiten wir daran, dass die Bilder in eine Schule wandern. Offensichtlich bin ich mehr als einmal hingegangen.

Wie es begann. Vor gut einem Jahr schrieb mich eine Freundin an und wies mich auf den VHS-Kurs „Das Grundgesetz fotografisch illustrieren“ hin. Ein sehr kompakter, intensiver Kurs mit teilweise drei Abendterminen pro Woche a 2,5h. Puh, da komme ich nicht mehr zu viel anderem.
Wie illustriert man das Grundgesetz? Ich hatte keine Idee. So gar keine. Und damit war mein Interesse geweckt.
Das Thema ist wichtig. Demokratie und Grundgesetz haben wir lange als so selbstverständlich angesehen, dass wir kaum bemerkt haben, dass es Zeit wird, es wieder aktiv zu schützen.
Nicht nur um uns herum geht es mit den Errungenschaften der Aufklärung bergab. Die Autokraten sind auf dem Vormarsch. Auch wir orientieren uns massiv rückwärts. An allen Ecken wird Trennung und Spaltung betrieben und gegen die Demokratie gearbeitet. Alte Männer, die vielleicht mal eine Relevanz auf der Mattscheibe hatten, erzählen vor einem Millionenpublikum, dass man ja nichts mehr sagen dürfe 🙁 Man muss nicht Einstein sein, um den Widerspruch zu erkennen. Sind diese Leute, die da sagen, dass man nichts sagen darf, einfach nur dumm, oder steckt da mehr hinter?
Es ist das Grundgesetz, dass ihnen erlaubt genau so einen Unsinn zu verkünden. Manchmal frage ich mich, ob die Demokratie überhaupt gewinnen kann? Wenn Dummheit sich nicht nur nicht mehr schämt, sondern mit aller Gewalt die Bedeutung von Wahrheit zerfetzt und versucht die Fundamente eines friedlichen Zusammenlebens zu zertrümmern und sich selbst dabei auf Meinungsfreiheit und andere Errungenschaft des GG stützt, dann erscheint mir das wie beim Angriffskrieg der Russen, wo die Ukraine, das Opfer, sich nur mit zusammengebundenen Händen auf dem Rücken wehren darf.
Ich weiß nicht, was hier der richtige Weg ist. Kategorische Ausgrenzung der Härtefälle, keine Bühne für Nazis in den Medien. Aber Gesprächsbereitschaft für die Anhänger. Auch wenn es schwer fällt, man muss im Dialog bleiben.
Das Grundgesetz ist nicht nur zu verteidigen, es gilt auch es zu vermitteln. Und damit meine ich nicht, einfach die Artikel 1 und 2 mal in einer Schulstunde vorzulesen.
Es geht darum, seine Bedeutung zu vermitteln. Für jeden Einzelnen und für die Gemeinschaft. Es geht darum, den Geist des GG zu ergründen und sich diesem wieder anzunähern.
Das gilt auch für eingefleischte Demokraten. Oder die, die sich dafür halten.
Das Grundgesetz regelt auch die Beziehung zwischen Staat und Bürger. Es geht meist um das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Mit dem vermeintlich guten Argument für mehr Sicherheit mischt der Staat sich gerne in Belange des Bürgers ein – und somit in dessen Freiheit. Auch hier ist es gut, immer wieder einen Blick ins GG zu werfen und solche Maßnahmen kritisch zu hinterfragen.
Neben dem Thema hat mich die Herausforderung gereizt, etwas so Abstraktes in ein Foto zu packen. Meine bisherige Fotografie fing sowieso an, mich etwas zu langweilen. Weg von der ästhetischen Fotografie hin zur konzeptuellen.
Also sagte ich; ok, ich melde mich an, wenn Du es auch tust. Sie hat mit Fotografie eigentlich wenig am Hut. Aber Ausrüstung und Basiswissen könne ich zur Verfügung stellen.
Umso spannender, dass es das überhaupt nicht brauchte.
Am Montag, den 08.07.2024 Abends war der erste Termin. Nach Möglichkeit sollten wir bereits Ideen oder Fotos (ausgedruckt) mitbringen.
Nicht viel Zeit bis dahin. Ich überlegte, was mich am Grundgesetz am meisten interessiert. Ein Thema, welches mir immer wichtig war, ist Freiheit. Nicht zwingend eine gelebte. Mehr eine gefühlte. Dazu gehört auch, sich nicht über die Maßen von Dingen abhängig zu machen. Aber ich will hier keinen Psycho-Striptease veranstalten.
Zur Freiheit gehört Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Entfaltungsmöglichkeiten usw. Mit diesem Filter, oder besser gesagt Fokus, begann ich meine Umwelt wahrzunehmen und ich fühlte mich wie damals bei Themen-Foto-Walks. Es ist erstaunlich, wie schnell die Wahrnehmung sich ändert.
Das erste Foto, und immer noch mein Liebling, zu diesem Projekt ist dieses gewesen.

Ich möchte das Bild gar nicht weiter erklären. Nur so viel „freie Fahrt für freie Bürger“ war nicht der Hauptgedanke 🙂
Ein weiteres Bild machte ich im Skulpturenpark. Das weiße „Haus“ ohne Dach, aus welchem ein Baum in den Himmel wächst. Für mich ein Sinnbild von Entfaltung. Leider habe ich keine Genehmigung zur Veröffentlichung erhalten.
Interessant war die Diskussion in der Gruppe. Karl, der die Leitung des Kurses innehatte, meinte, dass es immer schwierig ist, ein Kunstwerk abzufotografieren. Da hier die eigene Leistung fehle.
Ich sehe das etwas anders. Aber das tue ich ja oft 🙂 Generell hat der Fotograf eine Menge Entscheidungen zu fällen beim Fotografieren (Perspektive, Ausschnitt, Blende, Zeit…). Und somit ist es immer sein Foto. In diesem Fall kam hinzu, dass das Objekt temporär mit Flatterband versehen war. Und der Künstler, Sou Fujimoto (Japan), möchte mit seiner Skulptur auch etwas völlig anderes ausdrücken.
Es fand also eine Uminterpretation statt. Aber am Ende muss ich Karl insoweit recht geben, als dass ein Geschmäckle bleibt.
Im Kurs waren wir meist sieben Personen. Nicht jeder konnte zu jedem Termin. Achtzehn Stunden in drei Wochen sind nicht einfach unterzubringen. In keiner Stunde wurde eine Kamera ausgepackt oder ein Foto gemacht. Ich kann mich nicht mal erinnern, dass Fototechnik Thema war. Vielleicht kurz in der ersten Stunde nach dem Motto „Kann ich auch mit dem Handy fotografieren?“, „klar, es zählt nur das Bild. Womit gemacht ist egal.“ Wobei ich mich gegen KI aus Bilderzeuger ausgesprochen habe, da es dann kein Foto ist.
Was haben wir also all die Stunden gemacht? Wir haben das Thema und Ideen oder deren Umsetzung besprochen. Eine Art open table, nur demokratischer 🙂

Nicht alle Fotos sind während des Projektes oder für dieses Projekt direkt entstanden. Dazu fehlte auch einfach die Zeit. Einige Fotos sind aus dem Archiv und ggf. noch für das Projekt bearbeitet.
Die erste Gemeinschaftsausstellung startete am 13.11.2025 im VHS-Studienhaus Köln. Fünf Teilnehmende waren mit jeweils zwei Bildern vertreten. Mehr gab die Fläche nicht her.

Das Thema Hängung finde ich genauso spannend wie die Anfertigung der Fotos. Wie beim Erstellen eines Fotobuches kommt mindestens eine Ebene hinzu. Welche Beziehung gehen die Fotos zueinander ein? Welche Reihenfolge? Abstände, Höhe usw. Unglaublich interessante Fragestellungen.
Dies alles in einer Gruppe zu diskutieren ist zu weilen anstrengend, aber sehr bereichernd. Gerade wegen der vielen unterschiedlichen Meinungen, aber dem gemeinsamen Ziel, muss am Ende ein Kompromiss gefunden werden. Gelebte Demokratie!
Die zweite Ausstellung, nun mit den Teilnehmern aus dem zweiten Kurs zusammen und bei der VHS im Bezirksrathaus Köln Lindenthal ist ein ganz anderer Schnack. Sie wurde am 09.05.2025 eröffnet und kann noch bis zum 27.10.2025 (12Uhr) kostenlos besichtigt werden (1. Etage).
Wie sicherlich bekannt, ist der 8. Mai der Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands – und der Befreiung der Welt vom NS-Regime.
Nun waren wir 10 Teilnehmer mit letztendlich 51 Exponaten. Die Ausstellungsfläche war deutlich größer. So, dass, trotz der deutlich erhöhten Anzahl, auch das Bildformat größer wurde.
Von Anfang an haben wir geplant, dass diese Ausstellung eine Wanderausstellung werden soll. Das Erkennen der Bedeutung von Grundgesetz und Demokratie ist umso wichtiger, desto mehr selbige bedroht sind.
Wir sind davon überzeugt, dass diese Ausstellung das Nachdenken in Gang bringen oder unterstützen kann.
Um als Gemeinschaftsausstellung erkannt zu werden, sollte ein möglichst einheitliches Layout entwickelt werden. Hier musste ein Stück der künstlerischen Freiheit zu Gunsten der Gemeinschaft geopfert werden. Da die zukünftigen Ausstellungsräume unbekannt sind, sollte das Format nicht zu klein oder besonders groß sein. Bei einer Wanderausstellung ist mit Beschädigung oder Verlust zu rechnen. Somit sollten die Kosten für evtl. Ersatz gering sein.
Rahmen benötigen ein Passepartout, welches meist teurer als der Fotoprint sind. In z.B. 70×50 ist das auch ein Transportproblem bei 51 Bildern.
Bei unseren Fotos geht es klar mehr um den Inhalt als um die Druckqualität. Wir entschieden uns aus den genannten Gründen erneut für Hartschaum als Material.
Mehr dazu und der Ausstellung in Lindenthal im zweiten Teil. Und im dritten, wie die Ausstellung in die Schule gekommen ist.