Oder „über die Fotografie“? Oder „die Zukunft der Fotografie“ Egal, Hauptsache eine reißerische Überschrift 🙂

Nach dem es fast 40 Jahre ziemlich still war um die künstliche Intelligenz (KI), ist sie nun wieder in Aller Munde.
Damals, in den 80er sprach man auch viel von ihr. Von der Revolution in der Arbeitswelt und der, der Waschmaschinen, die nun durch fuzzy logic zu völlig neuen Waschwergebnissen kommen sollten.
Auch ich dachte damals, dass bestimmte Berufszweige keine sonderliche Halbwertszeit mehr haben. So durchdeklinierte Bereiche wie Steuerberufe oder viel Im Felde der Juristen sah ich in weiten Bereichen als gut ersetzbar an. Und glaubte sogar, dass es zu mehr Fairness führen würde, wenn Launen, Sympathie, „Zuwendungen“ usw. keine Rolle mehr spielen würden.
Ich ahnte nicht, wie kreativ in diesen Berufen oft vorgegangen wird. Spätestens seit den CUM-EX-Geschäften muss man es besser wissen. Aber ich schweife mal wieder ab. Es soll ja um Fotografie gehen.
Nur so viel noch, ich habe gelernt, dass man nicht jeder Sau, die durch irgendein Dorf gejagt wird, Beachtung schenken muss.

Mit Luminar AI, hier wird einfach das engl. Akronym AI für artificial intelligence statt KI benutzt, kam das Thema wieder für die „breite Maße“ in die Bildbearbeitung. Am spektakulärsten ist wahrscheinlich die Funktion, mit der man sehr einfach den Himmel austauschen kann.
Zumindest marketingmäßig ist damit ein Coup gelungen. Wie oft wurde es in Youtube-Videos von allen möglichen Leuten erwähnt oder gezeigt? Plötzlich war Luminar groß im Gespräch, was Adobe wohl dazu veranlasst hat, die gleiche Funktion in Photoshop einzubauen. Welche besser arbeitet? Keine Ahnung. Hat mich bisher nicht interessiert. Mich interessiert ja nur, dass es so viele andere interessiert. Und da da Leute bei sind, die ich nicht der Hauptsache-klickie-bunte-Ecke zuschreibe, denke ich, dass es Bestand haben wird.

So sah meine Welt noch vor wenigen Wochen aus. Da kannte ich Leute, die Himmel sammeln, damit sie ein Repertoire haben aus dem sie schöpfen können. Denn es ist natürlich schon etwas komisch, wenn man die immer gleichen Himmel demnächst auf tausenden von Bildern sieht.
Als alter Photoshopverweigerer habe ich da ein wenig geschmunzelt oder hier und da auch den Kopf geschüttelt.
Nach meinem absolut fantastischen Shooting mit Fabienne, welches ich ein wenig hier beschrieben habe, bei dem ich aber schmerzhaft Wolken vermisste, habe ich diese Funktion nun auch benutzt und sammle auch 🙂
So schnell können Dinge sich ändern. Und was soll ich sagen? Es gibt Bilder, die meiner Meinung nach, davon profitieren. Sonst würde ich es ja auch nicht machen.

Eine andere Funktion, die Adobe nun eingebaut hat ist die „super resolution“. Angeblich kommt auch hierbei KI zum Einsatz. Aktuell wohl noch mit mäßigem Erfolg. Aber auch das wird sich ändern.
Bei der Funktion wird die Auflösung vervierfacht und die „Lücken“ durch die KI aufgefüllt. Das hat jetzt auf die Gesamtwirkung des Bild keinen so großen Einfluss wie der Austausch des gesamten Himmels, aber es hat einen bekannten Youtuber zu der Frage veranlasst, wer denn überhaupt noch eine hochauflösende Kamera braucht.

Der ein oder andere erinnert sich vielleicht daran als Farbdrucker für Privatmenschen erschwinglich wurden und man plötzlich Briefe bekam, bei denen jedes Wort oder gar jeder Buchstabe eine andere Farbe hatte. Diese Phase ist ja zum Glück schnell vorbeigegangen. Die Aufknopf-Druck-Bildmanipulation-Phase wird es meiner Einschätzung nach nicht sein. Ganz im Gegenteil, da stehen wir wohl erst ganz am Anfang.

Die Kamera lügt

Und zwar immer. Das muss uns klar sein. Die vierdimensionale Welt lässt sich halt nicht auf einem zweidimensionalen Medium abbilden.

Natürlich hat noch nie eine Kamera die Wahrheit eingefangen, auch wenn der Fotografie gerne Authentizität unterstellt wird. Jetzt mag High Fashion weiter weg sein von der Wahrheit als Dokumentation, aber es bleibt ein zweidimensionales Medium in einer mindestens vierdimensionalen Welt.
All die Möglichkeiten, die der Fotografierende hat, z.B. durch Perspektive, Bildwinkel, Belichtung, Blende, Auswahl des Momentes usw. das Bild zu bestimmen, machen es zu einer kreativen Tätigkeit und gleichzeitig klar, dass das Ergebnis immer subjektiv ist.
Wenn die Kamera lügt, dann kann ich auch versuchen sie meine „Lügen“ erzählen zu lassen, durch all die gestalterischen Möglichkeiten, die ich als Fotograf sowohl bei der Aufnahme als auch in der Nachbearbeitung habe.
Und natürlich sind auch früher Bilder „manipuliert“ worden (Siehe u.a. Horst). Da war es nur deutlich mehr Arbeit und benötigte auch eine fundierte Ausbildung, weshalb vlt. die Titelbilder der Modezeitschriften retuschiert waren, aber eben nicht die Urlaubs- und Geburtstagsbilder von Hinz und Kunz.

Das wir den Hochglanzmagazinen nicht trauen können war uns doch irgendwie immer klar. Aber was passiert, wenn immer mehr „Alltagsbilder“ massiv verändert werden? Wir fotografieren ja nicht nur um zu zeigen wie toll wir sind, und an welch tollen Plätzen wir waren (wo ein flauer, langweiliger Himmel ja wirklich nicht zu gebrauchen ist), sondern auch um uns erinnern zu können. Wie soll das gehen, wenn das Bild nicht mehr im Ansatz die reale Situation darstellt? Wie sollen unsere Nachkommen, ob die eigenen Kinder in der privaten Bildersammlung oder die Besucher einer Ausstellung, sich ein Bild von uns und unserem Leben machen, wenn man nicht mehr weiß ob überhaupt irgendwas echt ist an dem Bild?

Ich bin ja der Meinung, dass viele Bilder gar nicht mehr gemacht werden müssen. Wenn ich z.B. vor dem Kölner Dom stehe oder dem Eifelturm, tief in die Hocke gehe, mein Handy zücke und gegen den hellen Himmel ein Bild mache, dann könnte das Handy auch über Standortbestimmung und Lagesensor aus Milliarden von Bildern im Netz mir einfach das Beste dazu passende herunterladen 🙂
OK, das Bild ist dann nicht an dem Tag, in der Situation durch mich entstanden. Aber es ist schön. Ein so schönes Bild hätte ich wahrscheinlich gar nicht hinbekommen. Ggf. bei den Verrenkungen einen Hexenschuss geholt oder mich zumindest dreckig gemacht 🙂
Und was es an Zeit spart? Anstatt die ganze Zeit verzweifelt zu versuchen ein gutes Foto zu machen und die Welt nur durch den Sucher zu sehen, könnte ich meine Augen nutzen um die Großartigkeit des Gebäudes und der Situation zu erkennen.

In unserem Werkzeugkasten haben wir also ein neues Werkzeug; Bildbearbeitung mit KI für Jedermann. Im Vergleich zu Crispr T ein völlig unbedeutendes, aber dennoch eines, welches seine Spuren in der Gesellschaft hinterlassen wird – davon bin ich überzeugt. Keine Revolution, ein Mosaiksteinchen eben. Wie Deep-Fakes, Autotune und so vieles mehr. Für mich sind die Dinge meist weder gut noch schlecht, sondern erst Mal nur Optionen.

Meine Meinung als Kurzfassung:
Es kann viele Gründe geben auf viele Möglichkeiten der fotografischen Gestaltung zu verzichten, der schöpferische Fotograf jedoch wird versuchen seine Möglichkeiten zu erweitern um ausdrucksstärkere und interessantere Bilder zu machen und sich nicht selbst beschränken.
(In Anlehnung an A. Feininger)

Vielleicht wird es sich aber auch entwickeln wie mit den Farbdruckern für Jedermann – keiner schreibt mehr bunte Briefe. Heute schreibt man E-Mails 🙂